Förderung der Beschäftigungsfähigkeit

durch Erhaltung, Förderung und Entwicklung der individuellen Stressbewältigungskompetenz

Das Urteil lautet „lebenslänglich“ Stress

Wie kann man da seine Leistungsfähigkeit erhalten? Begriffe wie Burnout und Boreout tauchen immer häufiger in den Medien auf, Work-Life-Balance ist in aller Munde. Burnout und Boreout und was kommt dann?

Wird es mich auch erwischen, und wenn ja wann? Mit 30, 40, 50 oder kann es auch schon im Studium oder sogar schon kurz danach zu Ende sein? Wie geht es denn dann weiter? Kann ich denn schon vorher etwas tun, damit es mich nicht „erwischt“? Fragen über Fragen, die ich an dieser Stelle näher beleuchten möchte, um Ihnen Antworten zu geben.

Viele Arbeitgeber richten ihren Fokus fast ausschließlich auf die fachliche Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter, wobei Querschnitts- bzw. Schlüsselkompetenzen immer wichtiger werden, da das fachliche Wissen nur noch geringe Halbwertszeit hat.

Burnout und die Gefahren von Stress in der Popularitätsfalle

Die häufige Berichterstattung in den Medien und die dadurch erreichte Präsenz in der Öffentlichkeit lässt die Vermutung zu, dass sich schon mehr als ausreichend Unternehmen diesem wichtigen Thema widmen und ihre Mitarbeiter in der Gesunderhaltung unterstützen.

Die Thematik wird trivialisiert und scheint sich m.E. in einer sogenannten Popularitätsfalle zu befinden (vgl. Schaufeli/Enzmann, 1998, S. 185 in Ulich/Wülser, 2012, S. 77).

Immer wieder wird davon berichtet, dass die Unternehmen ihren Beschäftigten Kurse in Achtsamkeit anbieten, ihnen ermöglichen Entspannungstechniken zu lernen oder gar Yoga zu praktizieren. Dies wird dann unter dem Begriff Stressbewältigung und Stressmanagement subsumiert und von einigen gern belächelt.

Stressabbau wird mit Entspannung gleichsetzt und ist in einer Gesellschaft, die von Hyperaktivität gekennzeichnet ist, immer noch nicht von allen als akzeptable Maßnahme zur Prävention von Krankheiten sowie Sicherung der Produktivität von Mitarbeitern angesehen.

Müßiggang wird von den Kollegen nicht selten als Faulheit interpretiert und schneller als man denkt, ist man zum offiziellen Minderleister ernannt worden.

Behält man jedoch den Leistungsgedanken im Fokus, ist gerade die Kompetenz im Umgang mit Stress eine nutzbringende Ressource, die Mitarbeiter befähigt auch in turbulenten Zeiten im beruflichen Tätigkeitsfeld professionell zu agieren und ihre Aufgaben mit Engagement und der notwendigen Sorgfalt auszuführen.

Stressmanagement als Personalentwicklungsmaßnahme nach dem Prinzip der Selbstwirksamkeit

Der Fokus dieser Entwicklungsmaßnahme sollte auf die Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit gerichtet werden. Viele Menschen denken sie könnten gegen Stress nichts tun, der Druck kommt Ihrer Ansicht nach von außen und sie fühlen sich ihm machtlos ausgeliefert. Das Gefühl der Machtlosigkeit verstärkt nun den Stress noch mehr und eine erfolgreiche Bewältigung rückt so immer weiter in die Ferne.

Mit Selbstwirksamkeit ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass man die Fähigkeit besitzt in einer tatsächlichen (Stress-)Situation, aus sich selbst heraus geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln und zu nutzen. Eine Selbststeuerung findet statt, wenn bewusste und unbewusste Vorgänge unsere Aufmerksamkeit, Emotionen und Handlungen steuern (vgl. Wunsch, 2013, S.15).

Jeder Einzelne ist daher auch gefordert die persönliche Lernfähigkeit eigenverantwortlich zu erhalten, um auch in fortgeschrittenen Lebensphasen neue Kenntnisse und Qualifikationen erlangen zu können.

Erhaltung, Förderung und Entwicklung der individuellen Stresskompetenz

Neben der Verantwortung der Unternehmen für die individuelle Entwicklung ihrer Beschäftigten, steht die Verantwortung des Einzelnen für seine individuelle Gesundheit und Lern- & Leistungsfähigkeit. Es ist wünschenswert, dass beide Akteure ein Bewusstsein für die Relevanz des Themas entwickeln.
Wenn immer nur einer versucht „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“ wird es schwierig. Es braucht beide Seiten, die sich engagieren um zu einem Resultat zu kommen, das alle gleichermaßen zufrieden stellt. In die gleiche Richtung blicken und ein gemeinsames Ziel verfolgen ist eine erfolgreichere Methode, als immer dem Anderen den Miesepeter zuzuschieben.

Ehrlich gemeinte Fortbildung oder Augenwischerei?

Betrachten wir ein Beispiel-Unternehmen, in dem es leider nicht optimal läuft.

Nennen wir das Unternehmen einfach einmal „08/15“.
08/15 hat 900 Mitarbeiter und startet die „Tropfen auf den heißen Stein – Aktion“ für welche es ein Stressbewältigungs-Tagesseminar bucht, an dem 12 Mitarbeiter teilnehmen können. Einige Mitarbeiter nehmen daran teil, bemängeln jedoch, dass dies nur Augenwischerei sei, da es nur ein einziges Seminar ist und im Anschluss vermutlich noch mehr Einsatz von Ihnen erwartet wird, da sie ja nun gelernt hätten mit Stress umzugehen.
Im Allgemeinen hält sich die Resonanz auf das Seminar in Grenzen, da sich die Beschäftigten nicht ernst genommen fühlen. Ein Seminar für die Anzahl der Mitarbeiter sei doch eher eine Aktion der PR- & Marketingabteilung, die nach dem Motto handelt „Tue Gutes und rede darüber“.
Das Seminar wird folglich fotografiert und anschließend eine Pressemitteilung versendet, in der betont wird, wie sehr man auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingehen würde.
Die Mitarbeiter fühlen sich nicht ernst genommen und die Verantwortlichen beschweren sich, dass die Resonanz auf ein doch sehr interessantes und förderliches Seminar so gering ausgefallen ist.

Mitarbeiter sollten / Unternehmen sollten

Abbildung 1: So funktioniert es nicht (eigene Darstellung)

Erfolgreiches Stressmanagement fördert und begleitet langfristig

Stressmanagement sollte als Personalentwicklungsmaßnahme mit fachlichen Fortbildungen auf gleicher Ebene stehen und kein Schattendasein im Segment der Gesundheitsförderungsmaßnahmen fristen. Das multimodale Stressmanagement bietet weitaus mehr als ausschließlich Entspannungsverfahren.

Es basiert auf den folgenden drei Säulen:

  • Instrumentelles Stressmanagement (z.B. Selbst- & Zeitmanagement; versch. Arbeitstechniken, Arbeitsplatzgestaltung etc.)
  • Kognitives Stressmanagement (z.B. Mentaltraining, Kommunikationstraining, „Stressbewältigungstraining“, Konflikttraining, etc.)
  • Palliativ- / Regeneratives Stressmanagement (kurzfristige Methoden zum Stressabbau und Entspannungstraining)

(Vgl. GKV-Spitzenverband, Handlungsleitfaden, 2010)

Ich möchte an dieser Stelle insbesondere das kognitive Stressmanagement näher unter die Lupe nehmen, da es großes Potenzial bietet. Hinter den genannten Trainingsarten befinden sich verschiedene Methoden, die jedoch unabhängig von der Namensgebung des Trainings selbst, alle Strategien zur Stressbewältigung inne haben können.

Ein gut konzipiertes Stressmanagement Training bietet als Grundlage einen Einblick in das Thema Stress, damit die Teilnehmenden verstehen warum bestimmte Methoden und Techniken überhaupt einen positiven Effekt erzeugen können. Wer über ein plausibles Modell zur Entstehung von allgemeinem und individuellem Stress verfügt sowie körperliche, emotionale und mentale Auswirkungen zuordnen kann, ist bereit sich auf die Erarbeitung und das Training förderlicher Kognitionen zu fokussieren.

Darauf aufbauend werden Folgeseminare zur Vertiefung, individuell konzipiert je nachdem, welche aktuellen Bedürfnisse geäußert werden. Auch sind Coachings denkbar, in welchen individuelle Stressbewältigungsansätze mit der einzelnen Führungskraft oder dem einzelnen Mitarbeiter  erarbeitet werden.

Lebensphasen sind von Lebensereignissen geprägt

Wenn sich in bestimmten Lebensphasen kritische Lebensereignisse kumulieren, ist die Unterstützung bei der Selbstregulation der Betroffenen besonders wichtig. Den Lebensereignissen haben Holmes und Rahe Stresspunkte zugeordnet.

Stresspunkte und Lebensereignisse

Tabelle 1: Stresspunkte und Lebensereignisse
Eigene Auswahl und Zuordnung nach Holmes und Rahe (1967)

Auch positive Ereignisse haben einen Stressfaktor, wie Hochzeit, Versöhnung und hervorragende persönliche Leistung.

In bestimmten Lebensphasen kumulieren sich kritische Lebensereignisse und wenn dann noch eine Vielzahl von „Mikrostressoren* des Alltags“ hinzukommen wird es wortwörtlich brenzlig im Sinne des Burnouts. Üblicherweise verfügen wir über genügend Ressourcen, um auch kritische Ereignisse gut zu bewältigen. Wenn wir jedoch schon ein Stress-Konto haben, das randvoll ist und wir uns unserer Ressourcen nicht bewusst sind, werden wir aus der Bahn geworfen, wenn die bisherigen Bewältigungsstrategien versagen.

Die Entwicklung der Stressbewältigungskompetenz sollte daher nicht erst beginnen, wenn diverse Ereignisse eingetreten sind, sondern vielmehr geht es um Sensibilisierung und Prävention, welche die Resilienz im Vorfeld stärken und den Mitarbeiter lebensbegleitend unterstützen.
Um die Lern- und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten unter Berücksichtigung der Lebensphasen zu fördern ist es erforderlich frühzeitig zu beginnen. Ist das Kind erst in den Brunnen gefallen, muss es mühsam und mit großem Aufwand herausgezogen werden. Sinnvoller ist, dass es erst gar nicht dazu kommt.

Was kann ich mir selbst Gutes tun

Machen Sie sich einen Plan, wann Sie in der kommenden Woche etwas Angenehmes für sich selbst tun. Notieren Sie wann Sie „etwas Kleines“ machen (Zeitaufwand 5 Minuten), „etwas Größeres“, z.B. Baden mit Schaum, im Wald spazieren/laufen, eine Tasse Tee genießen und einfach nur sitzen, o.ä. (Zeitaufwand 20-30 Minuten) und planen Sie etwas, dass ca. 2 Stunden in Anspruch nimmt – etwas Schönes!